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Sozialkunde ohne Sozialkundelehrer

Die Grünen kritisieren: Kaum Pädagogen sind für das Fach ausgebildet. Die betroffenen Lehrer reagieren mit Unverständnis

Flexibilität ist eines dieser Modeworte von heute. In der Praxis heißt das zum Beispiel: Arbeitnehmer müssen sich auch mit für sie neuen Bereichen auseinandersetzen. Michael Oczipinsky von der Christoph-von-Schmid-Realschule in Thannhausen (Landkreis Günzburg) etwa ist seit 14 Jahren Lehrer für Englisch und Geschichte. Seit sechs Jahren unterrichtet er parallel dazu auch Sozialkunde. „Fachfremd“, wie es offiziell heißt.

So wie bei ihm läuft es in vielen bayerischen Realschulen. Dort unterrichten zum großen Teil Lehrer Sozialkunde, obwohl sie explizit dafür gar nicht ausgebildet sind. Rund 70 Prozent der Stunden im Schuljahr 2015/2016 gaben fachfremde Lehrkräfte. Dies ging aus einer Antwort des Bildungsministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag hervor. Laut Ministerium ist unter anderem die Bewerbersituation in einzelnen Fächerverbindungen für diesen Zustand verantwortlich. Die Fraktion der Grünen sieht darin eher ein Indiz dafür, dass der politischen Bildung ein zu geringer Stellenwert eingeräumt wird.

Es geht unter anderem um die Frage: Unterrichten fachfremde Lehrer genauso gut Sozialkunde wie dafür ausgebildete Lehrer? Oczipinsky sagt: „In die soziologischen Bereiche, die etwa zehn Prozent des Unterrichts ausmachen, habe ich mich am Anfang erst einarbeiten müssen.“ Mittlerweile fühle er sich jedoch sicher in der Thematik – auch weil er beim überwiegenden Rest des Stoffes von zahlreichen Überschneidungen mit dem Fach Geschichte profitiere. Die Kritik der Grünen findet er deshalb „ziemlich daneben“: „Sie zeugt von wenig Ahnung vom Alltag in der Schule.“

Auch der bayerische Realschullehrerverband (brlv) kann den Standpunkt der Grünen nicht nachvollziehen. „Wenn man sich die Schnittstellen zwischen Geschichte mit Sozialkunde anschaut, wird klar, dass die Kollegen sehr wohl in der Lage sind, auch Sozialkunde zu unterrichten“, sagt brlv-Vorsitzender Jürgen Böhm. Wer beispielsweise politische Strukturen in Geschichte behandele, komme an einem Vergleich mit der politischen Struktur in der Bundesrepublik Deutschland gar nicht vorbei. Dennoch müsse man fachfremden Einsatz von Lehrkräften grundsätzlich vermeiden. Das betont neben Böhm auch das Bildungsministerium.

Die Grünen fordern darüber hinaus mehr Raum im Lehrplan für politische Bildung. In sämtlichen Jahrgangsstufen unter Klasse zehn seien null Stunden vorgesehen, in der Realschul-Abschlussklasse seien es zwei. Am Gymnasium sehe der Stundenplan von Klasse zehn bis zwölf je eine Stunde Sozialkunde vor. Der bildungspolitische Sprecher Thomas Gehring fordert, früher mit der politischen Bildung zu starten und das Pensum beim künftig wohl neunjährigen Gymnasium zu erhöhen. Zudem müsse die Demokratiebildung in der Aus- und Fortbildung der Lehrer gestärkt werden.

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(ands-, dpa)


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