VDR zu PISA 2022: Die Lehrkraft macht den Unterschied

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VDR: Schulische Rahmenbedingungen müssen weiter verbessert werden

Der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) empfiehlt, das bei allen Schularten festgestellte Absinken der Leistungsniveaus bei der PISA-Vergleichsstudie ernst zu nehmen, aber auch nicht in Panik zu verfallen. Vielmehr müssten aus den Ergebnissen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Der VDR hält es für besonders wichtig, die Rolle der Lehrkräfte zu stärken, die schulischen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern und die Sprachkompetenz in Deutsch ganz oben auf die Agenda zu setzen.

„Die neuen PISA-Ergebnisse können uns nicht zufrieden stellen, aber im Gegensatz zu vorhergehenden Erhebungen lässt sich das über alle Schularten hinweg beobachtete Absinken der Leistungsniveaus mit einiger Wahrscheinlichkeit auf zwei externe Einflüsse zurückführen“, analysiert der VDR-Bundesvorsitzende Ralf Neugschwender. Er erklärt: „Zum einen sind die in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten strikteren Schuleinschränkungen während der Corona-Pandemie zu nennen und zum anderen die Zunahme der Heterogenität in den Klassenzimmern bedingt durch die Zuwanderung.“ 

Corona-Pandemie hat entscheidende Rolle der Lehrkraft sichtbar gemacht

Die in der PISA-Studie erstmals aufgenommenen Kapitel „Digitalisierungsbezogene schulische & außerschulische Lerngelegenheiten“ sowie „Coronapandemiebedingte Auswirkungen“ ermöglichten wichtige Rückschlüsse auf den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen. Neugschwender bewertet die strikten Einschränkungen während der Pandemie in der Rückschau ambivalent: „Die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern langen Phasen der Schulschließungen haben dazu geführt, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler die klare Struktur des Präsenzunterrichts nicht mehr vollumfänglich erfahren haben und deshalb im Distanzunterricht mehr Defizite aufgebaut haben als leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler“. In diesem Zusammenhang seien auch die unterschiedlichen Lernumgebungen im Elternhaus zu nennen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Schüler zu Hause über einen geeigneten Arbeitsplatz verfüge.

Der VDR-Vorsitzende zieht daher eine wichtige Schlussfolgerung aus der Studie: „Für uns ist klar: Die Lehrkraft als direkte Bezugsperson ist entscheidend für den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen.“ Die fachliche Tiefe und klare Struktur eines professionell geplanten Unterrichts im Klassenzimmer gebe den Schülerinnen und Schülern Orientierung und die Möglichkeit, gezielt Fragen und Aufgabenstellungen direkt mit der Lehrkraft zu klären. Dabei bilde die soziale und persönliche Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülern den Kern beim Erwerb von Lerninhalten und sozialen Kompetenzen. „Die Lehrkraft ist dabei nicht Lernbegleiter, sondern schafft über ein gutes „classroom management“ erst die Voraussetzung, dass Lernen gelingt“, so Neugschwender.

Gute Deutschkenntnisse sind unerlässlich für den Lernerfolg

Die aktuelle PISA-Studie zeige wie auch die IGLU- und IQB-Studien erneut, wie wichtig der Erwerb der deutschen Sprache für den Bildungserfolg und die Zukunft  junger Menschen in Gesellschaft und Beruf sei. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen rund 40 % der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben und in der Familie häufig die Herkunftssprache gesprochen wird, sei es von hoher Bedeutung, dass sich die Schule vor Ort darauf einstellt und entsprechende Unterstützung erhält. Der VDR-Vorsitzende konstatiert: „Der frühe Erwerb der deutschen Sprache ist von größter Wichtigkeit, denn gute Sprachkenntnisse bilden die Brücke in den zwischenmenschlichen Beziehungen und sind die Grundlage, um mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu treten, Gefühle auszudrücken, Wünsche und Erwartungen zu formulieren sowie Erlebnisse zu verarbeiten.“ Aber auch bei den mathematischen Kompetenzen könne man bei PISA 2022 die Bedeutung der sprachlichen Fähigkeiten der Jugendlichen sehen. „Ich bin davon überzeugt davon, dass auch in Mathematik und Naturwissenschaften die Sprache für den Lernerfolg unerlässlich ist. Deshalb ist es wichtig, den Schwerpunkt noch stärker auf einen sprachsensiblen Fachunterricht zu legen, damit alle Schülerinnen und Schüler mit den Aufgabenstellungen zurechtkommen und nicht an mangelnden Sprachkenntnissen scheitern“, macht Neugschwender deutlich.

Forderungen des VDR: Schulische Rahmenbedingungen müssen verbessert werden – PISA-Ergebnisse sind ein Weckruf

Grundsätzlich sind die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie als erneuter Weckruf zu werten, der verdeutlicht, dass sich die Bildungssituation in Deutschland insgesamt verbessern muss. Die Politik und alle Verantwortlichen in den Kultus- und Bildungsministerien seien gefragt, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und einige Herausforderungen umgehend zu lösen. „Das A und O, damit Schule gelingt, sind ausreichend gut ausgebildete Lehrkräfte. Wir fordern daher, dass gezielte und attraktive Kampagnen zur Nachwuchsgewinnung ausgebaut werden und Quer- und Seiteneinstiegsmaßnahmen mit einer qualitativ hochwertigen Begleitung einhergehen“, so der VDR-Vorsitzende. Gleichzeitig müsse die Bildungsverwaltung noch stärker die konkrete Situation einer Schule vor Ort in den Blick nehmen. „Die vielfach immer noch praktizierte Zuweisung von Stellen und Mitteln nach dem Gießkannenprinzip ist die falsche Antwort auf die Herausforderungen einer Schule im ländlichen oder städtischen Raum“, so Neugschwender. „Wir müssen Schulsozialindizes wie beispielsweise den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache oder den Anteil an Jugendlichen mit Lernentwicklungsstörungen anwenden, um die unterschiedlichen Bedingungen bei Einkommen und sprachlichen Grundlagen  in den Elternhäusern abzufedern.“ Zudem gelte es, die Lehrerkollegien mit den Kolleginnen und Kollegen der Schulpsychologie und der Schulsozialarbeit gezielt zu verstärken sowie Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.


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