Muss ich mir das gefallen lassen? Beschwerdemöglichkeiten als Lehrkraft
Mit diesem Satz treten immer wieder Kolleginnen und Kollegen an den Hauptpersonalrat heran, wenn sie sich durch Beschwerden von Eltern, durch unkollegiales Verhalten oder durch dienstliche Anweisungen ungerecht behandelt fühlen.
Schnell wird dabei der Ruf nach dem gerichtlichen Weg laut. Aber dieser löst in der Regel nicht Konflikte, häufig verschärft er sie sogar. In vielen Fällen sind die Möglichkeiten des Beschwerdewegs sinnvoller und zweckmäßiger.
1. Gesetzliche Grundlage
Art. 17 Grundgesetz räumt jedermann das Recht ein, sich einzeln oder zusammen mit anderen mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. (auch Art. 115 Bayerische Verfassung)
Auch Beamten, die zunächst an den Dienstweg gebunden sind, darf der Antrags- und Beschwerdeweg bis zur obersten Dienstbehörde nicht ausgeschlossen werden. § 60 BRRG (Beamtenrechtsrahmengesetz) sowie Art. 7 BayBG (Bayerisches Beamtengesetz)
§ 60 (Gewährleistung des Beschwerdeweges) BRRG
Bei Anträgen und Beschwerden des Beamten darf der Beschwerdeweg zu seiner obersten Dienstbehörde nicht ausgeschlossen werden.
Artikel 7 BayBG Antrags- und Beschwerderecht
(1) Beamte und Beamtinnen können Anträge stellen und Beschwerden vorbringen; hierbei ist der Dienstweg einzuhalten. Der Beschwerdeweg bis zur obersten Dienstbehörde steht offen.
(2) Richten sich Beschwerden gegen unmittelbare Vorgesetzte (Art. 3 Satz 2), so können sie bei den nächsthöheren Vorgesetzten unmittelbar eingereicht werden
2. Beschwerdearten
Zu unterscheiden sind Dienstaufsichtsbeschwerden, die sich gegen das Fehlverhalten einer Amtsperson richten, von Aufsichtsbeschwerden in deren Mittelpunkt ein Sachverhalt steht, der kein Verwaltungsakt ist. Diese können sich zwar gegen Verwaltungsakte richten, sind aber in der Regel weniger wirksam als ein Widerspruch.
3. Formen von Beschwerden
Es sind vier Arten von Beschwerden, die ohne Gericht durchgeführt werden, zu unterscheiden. Diese Beschwerden sind nicht frist- und formgebunden. Es sind für den Beschwerdeführer damit keine Kosten verbunden. Die Beschwerden haben keine aufschiebende Wirkung.
Anonyme Beschwerden müssen nicht bearbeitet werden. In einer Beschwerde muss zumindest der Absender erkennbar sein und der Inhalt sachlich und verständlich dargestellt werden. Soweit in einem Antrag mit Beleidigungen und Beschimpfungen gearbeitet wird, werden diese wegen der Form zurückgewiesen.
3.1 Beamtenrechtliche Beschwerden nach Art. 7 BayBG
Diese Beschwerde kann mündlich oder schriftlich eingelegt werden. Dabei ist der Dienstweg einzuhalten. Richtet sich die Beschwerde gegen den unmittelbaren Dienstvorgesetzten, so kann sie beim nächst höheren Vorgesetzten direkt eingereicht werden.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Dienstvorgesetzten, der für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten zuständig ist und dem Vorgesetzten, der dem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann. Eine Beschwerde gegenüber dem Schulleiter kann somit dem zuständigen Ministerialbeauftragten oder direkt bei der Abteilung V im Kultusministerium (Realschulabteilung) vorgelegt werden.
Wird eine Beschwerde von der höheren Stelle abgelehnt, so ist diese nicht automatisch an eine höhere Stelle weiterzuleiten, es sei denn, der Beamte hat zu erkennen gegeben, er wolle seine Beschwerde im Falle der Nichtabhilfe an die jeweils nächst höhere Stelle weitergeleitet haben.
Beschwerderecht bedeutet somit, dass Beschwerden entgegengenommenwerden müssen, sachlich behandelt und verbeschieden werden.
Es gibt keine Regelung darüber, wie die Beschwerden bearbeitet werden müssen. Der Bescheid kann demnach auch mündlich erfolgen. Bei schriftlichen Beschwerden wird ein schriftlicher Bescheid empfohlen. Beschwerden über Missstände aus dem dienstlichen Bereich dürfen aber grundsätzlich nicht an die Öffentlichkeit getragen werden.
Beispiele für Beschwerdefälle:
Art. 7 BayBG enthält keine Beschränkung über den Inhalt von Beschwerden.
Klassische Fälle von Beschwerden (alle Verhandlungsmöglichkeiten vor Ort, wie Gespräche mit dem Schulleiter, örtlicher Personalrat sollten ausgeschöpft sein):
- ungleichmäßige Verteilung der Arbeit innerhalb des Kollegiums
- ungleichmäßige Verteilung von Anrechnungsstunden und Mehrarbeit
- Nichtwahrnehmung der Fürsorgepflicht bei Anschuldigungen durch Schüler oder Eltern
- Untätigkeit der Schulleitung bei Schwierigkeiten zwischen Kollegen
- Verweigerung von Dienstbefreiungen
- Beanstandungen des Schwierigkeitsgrades bei Leistungserhebungen
- Ablehnung von Projekten, die durch eine Lehrkraft durchgeführt werden sollen
Vor der Beschwerde sollte unbedingt das mehrfache persönliche Gespräch mit dem Schulleiter und ggf. die Hinzuziehung des örtlichen Personalrates stehen.
Sollte dies scheitern, gibt es auch die Möglichkeit, über den Hauptpersonalrat Beschwerden direkt im Kultusministerium, sowie beim zuständigen MB, erörtern zu lassen.
3.2 Gegenvorstellungen
Vor einer Beschwerde erscheint eine Gegenvorstellung häufig als das geeignete Mittel, um Konflikte nicht gleich über die Schulgrenzen hinaus zu tragen. Geeignet sind sie dann, wenn das persönliche Gespräch mehrfach gescheitert ist und z. B. Uneinigkeit zwischen einer Lehrkraft und dem Schulleiter über pädagogische Maßnahmen entstehen. Die Gegenvorstellung richtet sich an den Dienstvorgesetzten. Ihr Zweck ist eine inhaltliche Überprüfung einer Anordnung oder Anweisung unter Berücksichtigung der vom Lehrer vorgetragenen Argumente und in der Folge eine Änderung oder Aufhebung der Maßnahme.
Gegenvorstellungen sind in der Schule häufiger anzutreffen auch dann, wenn diese nicht als solche bezeichnet sind, da sie auch mündlich vorgetragen werden können.
Zu den Gegenvorstellungen zählen auch Einwendungen bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anordnung.
Grundsätzlich hat der Beamte die Verpflichtung, seine Vorgesetzten zu beraten (Art. 35 BeamtStG). Daraus folgt das Recht, Einwendungen gegen Maßnahmen des Schulleiters durchzuführen.
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit dienstlicher Handlungen Art. 36 BeamtStG
§ 36 Beamtenstatusgesetz Verantwortung für die Rechtmäßigkeit
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
§ 2 LDO Verantwortung der Lehrkraft.
Die Lehrkraft trägt im Rahmen der Rechtsordnung und ihrer dienstlichen Pflichten die unmittelbare pädagogische Verantwortung für die Erziehung und den Unterricht ihrer Schüler.
Durch die Einwendung (Remonstration), die unverzüglich geltend gemacht werden muss, kann der Vorgesetze nochmals seine Anordnung auf Rechtmäßigkeit überprüfen. Falls die Anordnung aufrechterhalten bleibt, so hat sich der Beamte an den nächst höheren Vorgesetzen zu wenden. Die Maßnahme muss der Beamte dann allerdings ausführen, es sei denn, es führt zu einem strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten oder verstößt gegen die Würde des Menschen.
Beispiel: Ein Lehrer möchte eine neue Unterrichtsmethode anwenden. Der Schulleiter weist den Kollegen an, zur gewohnten Methode zurückzukehren.
3.3 Sachaufsichtsbeschwerde
Die Sachaufsichtsbeschwerde wendet sich gegen den sachlichen Inhalt einer Maßnahme. Die Folge ist, dass der nächste Dienstvorgesetzte die Maßnahme auf dem Dienstweg überprüft. Für die Lehrer an Realschulen ist die höhere und oberste Dienstbehörde das Kultusministerium.
Für schulische Entscheidungen nach der Realschulordnung (Schülerangelegenheiten wie Vorrückungserlaubnis, Notenfestsetzung) üben die jeweils zuständigen Ministerialbeauftragten die Befugnis aus.
Der Lehrer hat Anspruch auf einen Bescheid. In gleicher Angelegenheit kann nur einmal eine Aufsichtsbeschwerde durchgeführt werden.
Fälle für Aufsichtsbeschwerden sind Missbilligung durch den Schulleiter (Zurechtweisungen, Mahnungen, Rügen usw.).
3.4 Dienstaufsichtsbeschwerden
Die Dienstaufsichtsbeschwerde richtet sich gegen das persönliche Verhalten von Beamten bei dienstlichen Handlungen. Wird eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Lehrer geführt, so ist der Schulleiter als Dienstvorgesetzter zuständig.
Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Schulleiter sind meist die Folge von einem schlechten Klima im Kollegium oder haben persönliche Ursachen. Bevor Dienstaufsichtsbeschwerden geführt werden, sollten ebenfalls alle anderen kommunikativen Wege – Gespräche mit Schulleitung, dem örtlichen Personalrat, dem Hinzuziehen des Hauptpersonalrates – ausgeschöpft werden. Sollte dadurch über eine Maßnahme keine Einigung erzielt werden können, bleibt der Weg zur Dienstaufsichtsbeschwerde offen.
Dienstaufsichtsbeschwerden können dem Kultusministerium auch unmittelbar zugeleitet werden.
4. Beschwerden an die Personalvertretung
Art. 69 BayPVG: „Der Personalrat hat folgende allgemeine Aufgaben: c) Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Leiter der Dienststelle auf ihre Erledigung hinzuwirken.
Der Weg über den Personalrat erscheint in der Praxis nach wie vor der Erfolgreichste zu sein.
Der Personalrat prüft, ob die Beschwerde gerechtfertigt erscheint und in den Zuständigkeitsbereich der Dienststelle fällt. Über Verhandlungen kann der Personalrat (örtlicher oder Hauptpersonalrat) eine Einigung herbeiführen. Dieses Verfahren unterliegt keinen formalen Regelungen.
5. Anrufen des Petitionsausschusses des Landtages
Artikel 115 (Petitionsrecht) Bayerische Verfassung
(1) Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden.
(2) Die Rechte des Landtags zur Überprüfung von Beschwerden werden durch Gesetz geregelt.
Auch in Beamtenangelegenheiten kann jederzeit der Bayerische Landtag angerufen werden. Dieser hört in Einzelfällen in der Regel die zuständige Stelle im Ministerium. Der Landtag vollzieht nicht selbst die Maßnahme, sondern spricht eine Würdigung aus. Dies bedeutet, dass das Kultusministerium in diesem Sinne die Maßnahme vollziehen muss.
6. Rechtsmittel
Sollten alle Möglichkeiten scheitern, so bleiben nur die Rechtsmittel
- Widerspruch
- Klage vor dem Verwaltungsgericht (Verpflichtungsklage, Feststellungsklage, einstweilige Anordnung)
7. Schlussüberlegungen
Juristisches Vorgehen gegen eine von einem Dienststellenleiter getroffene Maßnahme hinterlässt meist tiefe Spuren in einem Kollegium und vergiftet die Atmosphäre. Dies kann auch bei Beschwerden der Fall sein. Juristisches Wissen kann in Einzelfällen hilfreich sein.
Am besten ist es jedoch, das Recht nicht anwenden zu müssen.
Eine reifliche Überlegung, zu welchen Maßnahmen man greift, ist deshalb wichtig, bevor Beschwerde, Widerspruch und Klageverfahren den Schulalltag bestimmen.
Eine wertschätzende Kommunikation zwischen allen am Schulleben Beteiligten sollte vielmehr diese Maßnahme ersetzen. In den meisten Fällen wird dies auch praktiziert und ist möglich. Sollten doch Schwierigkeiten bleiben, ist häufig das vertrauensvolle Gespräch mit dem örtlichen Personalrat oder ggf. dem Hauptpersonalrat die bessere Alternative zu Beschwerden und Klagen. Gerade als Pädagogen sind wir gefordert, Schüler nicht nur zum besseren Miteinander zu erziehen, sondern dieses auch selbst vorzuleben.